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Aktuelles aus der WIR

WIR – Werkstatt für Integration und Rehabilitation gGmbH

Wo Herr Schwartz die Eier einsammelt …

1. Dezember 2016

Wir freuen uns immer, wenn in der Presse über die WIR berichtet wird. Diesmal geht es um einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz auf dem Ritzenhof in Elsdorf. Der Artikel ist der „LZ Landwirtschaftliche Zeitschrift Rheinland“, Ausgabe 48 vom 1. Dezember 2016, entnommen. Herzlichen Dank!

Inklusion in der Landwirtschaft am Beispiel des Ritzenhofs in Elsdorf

„Wenn ich die Hühner füttere, sind sie außer Rand und Band“, freut sich Johannes Schwartz. Er mag die Hühner und kümmert sich gerne um die 3.000 Exemplare, die gesund und munter mit viel Platz auf dem Ritzenhof leben. Jeden Morgen um 9.00 Uhr ist es von montags bis freitags seine erste Aufgabe, das Futter zu verteilen. Er ist seit drei Monaten auf dem Bioland-Betrieb mit Naturkostladen, Hühner- und Pensionspferdehaltung. Und er möchte dort gerne bleiben, sagt er. Denn er freut sich, dass Landwirt Peter Hanen und seine Frau Katharina kein Problem mit seiner psychischen Behinderung haben. Da hat er schon Anderes erlebt.

Die tägliche Arbeit von Johannes Schwartz ist es, nach dem Füttern mehrfach am Tag die Eier der 3.000 Hühner des Biolandbetriebes Ritzenhof in Niederembt einzusammeln und beim Sortieren zu helfen.

Höfe sind ideale Arbeitsplätze

„Es ist eine Sache des Ausprobierens, welcher Mitarbeiter auf welchen Arbeitsplatz passt“, ist die Erfahrung von Birgit Hummel. Die Diplom-Volkswirtin ist Geschäftsführerin der WIR gGmbH im Rhein-Erft-Kreis und verantwortlich für 250 MitarbeiterInnen mit psychischen Beeinträchtigungen an den Standorten Bergheim und Hürth. Neben den Arbeitsplätzen in den beiden Werkstätten werden von der WIR gGmbH auch 26 MitarbeiterInnen auf sogenannten betriebsintegrierten Arbeitsplätzen, die auf verschiedene Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarkts ausgelagert sind, betreut.

„Der Trend geht nicht nur bei uns, sondern bei allen Werkstätten für Menschen mit Behinderung dahin, immer mehr Arbeitsplätze auszulagern“, sagt die Mutter eines Sohnes, die mit einem Landwirt verheiratet ist. Viele Arbeiten, die auf landwirtschaftlichen Betrieben anfallen, findet Birgit Hummel ideal für Menschen mit Beeinträchtigung. So seien die Mitarbeiter meist im engen Kontakt mit der Landwirtschaftsfamilie, viel an der frischen Luft und auch die Arbeiten seien meist sehr basal, haptisch und auch emotional, wenn es um die Betreuung von Tieren gehe.

„Herr Schwartz arbeitet bei uns in den drei Hühnerställen mit je 1.000 Legehennen. Er ist für das Füttern morgens und nachmittags zuständig und für das anschließende Einsammeln und sortieren der Eier“, skizziert Peter Hanen den Aufgabenbereich des Beschäftigten, der manche Arbeiten zusammen mit der Schwiegermutter des Hofbetreibers erledigt. „Ich glaube, Herr Schwartz hat gerne eine klare Struktur bei der Arbeit und ist dabei am liebsten ungestört. Er ist sehr zuverlässig und flexibel einsetzbar. Wenn er also einmal bei den Pferden oder im Hofladen mithelfen soll, ist auch das kein Problem“, so die Erfahrung des Landwirts. Gut findet er, dass der Beschäftigte nicht bei ihm, sondern bei der WIR gGmbH angestellt und über sie auch sozial- und unfallversichert ist. Der Lohn wird an die WIR gGmbH gezahlt. Das habe auch den Vorteil, meint Birgit Hummel, dass die Mitarbeiter zurück in die Werkstatt gehen könnten, wenn es einmal Probleme geben sollte.

Die Mehrzahl der Eier wird über die Märkte von REWE-Richrath vermarktet, der kleinere Teil über den Naturkostladen und Eier-Abos.

Arbeit zur Probe

Es hätten vor Johannes Schwartz bereits zwei andere Beschäftigte der WIR gGmbH Probearbeitseinsätze auf dem Ritzenhof gehabt, erzählt Katharina Hanen, die für den 130 qm großen Naturkostladen verantwortlich ist. Beide hätten gute Arbeit geleistet, meint ihr Ehemann, und es hätte auch persönlich gut gepasst, aber die Beschäftigten selbst hätten lieber wieder in der Werkstatt arbeiten wollen. „Manchmal ist den Beschäftigten auch die Anfahrt zu den Außenarbeitsplätzen zu mühsam“, ist die Erfahrung von Birgit Hummel. Gerade im ländlichen Bereich, wie in Elsdorf-Niederembt, seien die Busverbindungen nicht so gut.

Johannes Schwartz kommt meist entweder mit dem Roller oder mit dem Fahrrad von seiner Wohnung im Nachbardorf zur Arbeit in Niederembt. „Mit dem Bus dauert das 20 Minuten länger. Das ist mir zu viel“, sagt er klar. Er erzählt, wie viel Spaß ihm die Arbeit bei Familie Hanen macht und dass es in seiner Familie auch Vorfahren gebe, die Landwirte waren. „Ich habe schon meinem Vater immer geholfen. Der war Maurermeister. Und daher kann ich gut schwere Sachen tragen“, sagt er und erzählt von seinem beruflichen Werdegang.

Er hat sowohl die Handelsschule besucht und mit einer Durchschnittsnote von 2,3 abgeschlossen, berichtet er stolz, als auch eine Bäckereiausbildung absolviert. In der Bäckerei seien ihm der frühe Arbeitsbeginn und die zeitliche Arbeitsbelastung mit oft neun oder zehn Stunden zu hoch gewesen. Seit 2008 ist er bei der WIR gGmbH beschäftigt und hat dort zuletzt in der Kommissionierung und Verpackung gearbeitet. Er wohnt bei seiner 90-jährigen Mutter und seinem Bruder und findet das besser als alleine in einer eigenen Wohnung zu leben.

Drei, die sich über die Kooperation zwischen der WIR gGmbH und dem Biolandbetrieb Ritzenhof freuen (v. l.): Betriebsleiter Peter Hanen, Beschäftigter Johannes Schwartz und WIR-Geschäftsführerin Birgit Hummel.

Betreuung durch Fachleute

„Unser Integrationsbeauftragter hat im Naturkostladen auf dem Ritzenhof eingekauft und einfach mal gefragt, ob Familie Hanen an einem Mitarbeiter der WIR gGmbH interessiert ist“, sagt Birgit Hummel auf die Frage, wie der Kontakt zum Ritzenhof als Arbeitgeber zustande kam. Grundsätzlich seien Biobetriebe sehr aufgeschlossen für die Einbindung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitsabläufe auf landwirtschaftlichen Betrieben, meint Peter Hanen. Und weil er ohnehin einen Mitarbeiter für den Hühnerbereich suchte, war er durchaus bereit dazu. „Wir haben ja alle eine soziale Verpflichtung und die lösen wir mit dieser Zusammenarbeit ein. Außerdem kommt es auch bei vielen Kunden positiv an, zum Beispiel bei denen, die selbst ein behindertes Kind haben“, sagt der Chef auf dem Ritzenhof.

„Wir haben Kunden, die sogar auf ihren Internetseiten damit werben, dass sie Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz bieten“, ergänzt Birgit Hummel. Sie glaubt, es sei für einige landwirtschaftliche Betriebe eine große Chance, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Dabei sei es immer eine ganz individuelle Entscheidung, welcher Mitarbeiter mit welcher Behinderung in einen Betrieb passe. Das müsse man einfach ausprobieren.

Man könne sowohl Vollzeit-, als auch Teilzeitarbeitsplätze auf Außenbetrieben einrichten, so die Diplom-Volkswirtin. Die Kosten für die Arbeitgeber liegen dabei im Durchschnitt zwischen 3 und 9 € pro Stunde, je nach Branche und individueller Leistungsfähigkeit. Die Werkstatt zahlt den Menschen mit Behinderung außerdem die Fahrtkosten, Arbeitskleidung und bei Bedürftigkeit einen Verpflegungszuschuss.

Rechnungen, die die Werkstätten für Menschen mit Behinderung ausstellen, unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Größere Unternehmen können sich die Kosten für einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz anteilmäßig auf die zu zahlende Ausgleichsabgabe anrechnen lassen. Alle Arbeitnehmer würden regelmäßig von einem Integrationsbetreuer an ihren Arbeitsplätzen besucht, so Hummel. Sollte es einmal Probleme geben, die nicht gelöst werden könnten, gäbe es immer die Möglichkeit der Rückkehr zur WIR gGmbH.

Johannes Schwartz, der nach Bedarf zwischen 28 und 34 Wochenstunden auf dem Ritzenhof arbeitet, scheint an eine Rückkehr nicht zu denken. Im Gegenteil: ihm machen die Arbeiten rund um die Hühner offensichtlich viel Spaß. „Außerhalb der Werkstatt zu arbeiten, fordert einen doch mehr als in der Werkstatt. Ich fühle mich hier vollwertig und finde das gut!“, so sein überzeugendes Statement.

Infos für potenzielle Arbeitgeber

Landwirtschaftliche Betriebe im Rhein-Erft-Kreis und den angrenzenden Gebieten können sich bei der WIR gGmbH in Hürth über potenzielle Arbeitnehmer informieren. Ansprechpartner für Arbeitskräfte mit psychischer Behinderung: Integrationsassistent Franz-Josef Pelzer, Telefon: 02233 / 80 76-31, Mobil: 01573 / 1 81 18 25, E-Mail: fj.pelzer@wir-ggmbh.de

Die Integration und Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung ist regional nach Kreisen und Städten geregelt. Meist vermitteln Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder die Integrationsfachdienste (zum Beispiel: www.ifd-duesseldorf.de oder www.ifd-wesel.de) passende Arbeitnehmer für eine offene Arbeitsstelle.

Für Düsseldorf ist zum Beispiel die Werkstatt für angepasste Arbeit ein Ansprechpartner für die Vermittlung von Arbeitskräften für ausgelagerte Arbeitsstellen: Magdalena Turski, Telefon: 0211 / 88 25 84-17 09, Mobil: 0172 / 2 02 76 94, E-Mail: magdalena.turski@wfaa.de

Generelle Auskünfte für potenzielle Arbeitgeber gibt es beim Landschaftsverband Rheinland – Integrationsamt, Telefon: 0221 / 8 09-42 90, E-Mail: integrationsamt@lvr.de .

Text und Fotos: Marianne Sturbeck